Schreckgespenst Befähigungsnachweis
Seit einigen Jahren gibt es für Tiertransporte eine neue Verordnung seitens der EU, die ‚Tiertransport und EG-Verordnung Nr. 1/2005‘.
In dieser Verordnung ist geregelt wer einen Sachkundenachweis Tiertransport, in den Medien meist kurz Befähigungsnachweis genannt, für Tiertransporte benötigt und wer nicht.
Privatpersonen sind von dieser Verordnung ausgenommen, sollten aber selbstverständlich trotzdem über eine ausreichende Sachkunde bei dem Transport von Wirbeltieren verfügen.
Eigentlich könnte sich nun ein Großteil der Leser anderen Bereichen von FriesenWiki zuwenden, sollte man meinen.
Da wir es aber mit einer EU-Verordnung zu tun haben ist die ganze Sache leider nicht ganz so einfach wie es scheint. Bei der Recherche zu diesem Thema kamen mir immer wieder die ‚Radio Eriwan‘ Witze ins Gedächtnis. Die älteren Leser werden sich bestimmt noch erinnern; eine, meist systemkritische, Frage wird seitens des fiktiven Senders ‚Radio Eriwan‘ jedes mal mit der Einleitung ‚Im Prinzip schon, aber…‘ beantwortet.
Sehr leicht in die Gruppe der Nachweispflichtigen einzugliedern sind folgende Personengruppen, Landwirte die ihre Tiere mehr als 65 km transportieren, Speditionen die sich auf Tiertransporte spezialisiert haben sowie Besitzer von Reitanlagen und Berufsreiter bzw. Pferdewirte wenn jene Schul-, Verkaufs- oder Berittpferde transportieren.
Bis jetzt ist das ganze ja eindeutig; scheinbar.
„Die Verordnung (EG) Nr. 1/2005 gilt für Transporte von Wirbeltieren, die in Verbindung mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit durchgeführt werden.“ In der Erklärung heißt es weiter; „…dass sich der Transport zu kommerziellen Zwecken nicht auf Fälle beschränkt, in denen unmittelbar ein Austausch von Geld, Gütern oder Dienstleistungen erfolgt. Er schließt vielmehr auch Fälle ein, in denen direkt oder indirekt ein Gewinn entsteht bzw. angestrebt wird.“
Der letzte Satz würde somit z.B. auch auf Pferde, welche auf einer Zuchtschau ins Stammbuch eingetragen werden oder eine Graderhöhung bekommen zutreffen. Denn dies stellt ja in gewisser Weise auch eine Werterhöhung es Tieres dar. Aber auch die Teilnahme an Reitturnieren könnte darunter fallen denn dort werden zum einen ja Geld- und Sachpreise ausgelobt, zum anderen wird ja auch der Wert des Tieres durch gute Platzierungen gesteigert
Leider gibt es in der Verordnung einen Satz der sehr viel Spielraum bei der Interpretation lässt.
„Als Kriterium für eine „wirtschaftliche Tätigkeit“ kann laut Kommission beispielsweise die steuerliche Veranlagung herangezogen werden“, birgt leider eine gewisse Brisanz. ‚Kann‘ bedeutet ja, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit leider nicht zwingend und alleine mit einer steuerlichen Veranlagung einhergeht. Somit gibt es hier leider eine gewisse Rechtsunsicherheit.
Wirtschaftliche Tätigkeit liegt übrigens nicht nur dann vor, wenn man tatsächlich Gewinn erzielt, auch negative Ergebnisse (Verluste) zählen dazu.
Man kann als Fazit fest halten: Die Teilnahme an einem Reitturnier, einer Fohlen- oder Zuchtschau kann, auch für einen Privatperson, als gewerblich eingestuft werden, auch wenn keine steuerliche Veranlagung statt findet, da eigentlich Hobby.
Es kommt da immer auf die Auslegung des jeweiligen Kontrollierenden bei einer Kontrolle an.
Solch ein ähnliches Vorgehen kennen z.B. einige Pickup Besitzer, wo das Finanzamt – trotz Einstufung als ‚LKW offener Kasten’ in den Fahrzeugpapieren – die PKW Steuer veranschlagt da es nicht an die Eintragungen im Fahrzeugschein gebunden ist.
Meine Recherche im Internet bestätigte nämlich leider tatsächlich, dass es Dank dieser etwas schwammigen Aussage in der Verordnung bei einigen privaten Pferdehaltern anlässlich einer Fahrzeugkontrolle des Gespannes zu Problemen kam, welche neben Androhung eines Bußgeldes bei manchen sogar bis hin zur Stilllegung des Gespannes führte.
Auch wenn sich hinterher heraus stellen sollte das die Stilllegung nicht gerechtfertigt war, so hat man doch erst einmal viel Ärger und Stress, insbesondere wenn man sich um den Weitertransport des Pferdes kümmern muss.
Es gibt wohl in manchen Ländern bzw. Landkreisen die Richtlinie die steuerliche Veranlagung zu Grunde zu legen, ob der Fahrzeugführer nun einen Befähigungsnachweis benötigt oder nicht, leider gilt das zum einen nicht flächendeckend für die gesamte Bundesrepublik. Zum anderen sagt dies nichts über die eigentliche rechtliche Einstufung aus, sondern wird wohl nur aus rein praktischen Gründen für die Behörden so angewendet. Somit kann man da keinesfalls einen allgemeinen Rechtsanspruch herleiten.
Aus diesem Grund kontaktierte ich unter anderem die FN, eine Fachanwältin für Pferderecht sowie das Rheinland Pfälzische Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten und stellte einige Fragen, insbesondere ob es inzwischen in irgendeiner Weise Rechtssicherheit z.B. durch inzwischen gefällte Urteile gibt.
Die leider einzige Antwort kam nach wenigen Tagen von Frau Dr. Ulrike Marschner aus dem Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit.
Dieses Ministerium leitet die Projektgruppe ‚’Transport‘ der Bundesländer. Ich werde die Fragen mit den Antworten von Frau Dr. Marschner im Laufe des Artikels an den passenden Stellen einfügen.
Frage: Ist Ihnen bekannt ob die EU in der Zwischenzeit an einer Präzisierung dieser Verordnung arbeitet, welche den Privatpersonen eine bessere Rechtssicherheit verschafft?
Antwort: Trotz wiederholter Vorstöße einzelner Mitgliedstaaten (darunter auch Deutschland) lehnt die EU-Kommission eine Änderung der Verordnung 1/2005 strikt ab.
Frage: Gibt es inzwischen Rechtssicherheit (ggf. entsprechende Urteile?) bzw. eine genauere Definition in Sachen ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘?
Antwort: Es gibt keine rechtsverbindliche Definition der wirtschaftlichen Tätigkeit.
Wie man sieht lehnt die EU, trotz Verstöße mehrerer Länder, bisher eine Präzisierung der Verordnung leider ab. Somit müssen die Privatleute bei Transporten weiterhin mit der Rechtsunsicherheit leben, dass man ihnen bei einer Kontrolle evtl. eine wirtschaftliche Tätigkeit unterstellt.
Nun könnte man als Hobbyreiter zu dem Entschluss kommen; ‚Na dann belege ich doch den geforderten Lehrgang für den Befähigungsschein und bin ab sofort auf der sicheren Seite.‘
Leider ist es mit dem Befähigungsschein alleine nicht getan, man benötigt nämlich zusätzlich noch eine Zulassung als Transportunternehmen. Da diese Verordnung für gewerbsmäßige Tiertransporteure gedacht ist, macht diese Koppelung eigentlich auch Sinn.
Am Anfang des Artikels hatte ich ja bereits aufgeführt, wer unter anderem zwingend einen Befähigungsschein benötigt. Einige Mitglieder dieser Gruppe müssen einen Lehrgang belegen, dessen Dauer sich danach richtet ob Transporte nur bis 8 Stunden Dauer durchgeführt werden oder darüber. Letztere erfordern zudem eine ganz andere Ausrüstung der Transportfahrzeuge und eine fundiertere Ausbildung der Transporteure samt Begleiter.
Bei einigen Berufen wie Landwirt und Pferdewirt gehören die Lehrgangsinhalte inzwischen zur Ausbildung und somit erhalten diese den Beförderungsnachweis automatisch auf Antrag bei dem Kreisveterinäramt der Zuständigen Kreisverwaltung des Antragstellers.
Von den gewerbsmäßigen Tiertransporteuren (Speditionen) abgesehen benötigen folgende Personengruppen auf jeden Fall eines Befähigungssnachweis:
- Landwirte
- Berufsreiter
- Reitlehrer (auch nebenberuflich und ehrenamtliche)
- Pferdewirte
- sowie alle Personen die eine Erlaubnis zur Tierhaltung nach § 11 besitzen (Pferdepensionen, Wanderreitstationen, Reitställe, etc.
- und natürlich Züchter die mit ihrer Zucht beim Finanzamt steuerlich geführt werden.
Wie bereits erwähnt, hat ein Teil dieser Personengruppen die Schulungen für diesen Sachkundenachweis bereits während der Ausbildung absolviert, sofern sie in der jüngeren Vergangenheit (Abschluss 2007 oder später) absolviert wurde und muss ihn nur noch beantragen.
Alle anderen aufgeführten, sowie Personen die ihre Ausbildung zum Landwirt oder Pferdewirt vor Inkrafttreten der Verordnung abgeschlossen haben, müssen einen Lehrgang belegen.
Diese werden für Transporte bis 8 Stunden und mehr als 8 Stunden angeboten.
Letzterer bedingt natürlich weitergehende Sachkenntnisse, aber vor allem müssen die Transportfahrzeuge speziell ausgerüstet sein, z.B. mit einer Temperaturüberwachung, Tränkemöglichkeiten, Navigation mit Streckenaufzeichnung bzw. Fahrtenbuch.
Berufsreiter, Reitlehrer und ggf auch die Züchter sollten im eigenen Interesse sogar den Sachkundenachweis für Transporte über 8 Stunden ablegen.
Der Aufenthalt der Pferde auf dem Turnierplatz / der Zuchtschau zählt nämlich zu der Transportzeit hinzu, da selbst ein mehrstündiger Aufenthalt dort nicht für eine ausreichend lange Transportunterbrechung sorgt! Somit ist dort sehr schnell eine Transportzeit von mehr als 8 Stunden erreicht.
Den (mehrtägigen) Lehrgang zur Erlangung des Befähigungsnachweises kann man z.B. über den Deula (Bundesverband der deutschen Lehranstalten für Agrartechnik), www.deula.de ablegen. Ansonsten kann auch das zuständige Kreisveterinäramt Auskunft über Lehrgangstermine geben.
Das der Befähigungsnachweis alleine nicht ausreicht wurde ja bereits erwähnt. Der betroffene Personenkreis muss bei seinem zuständigen Landratsamt zusätzlich einen Antrag zur Zulassung als Unternehmer für Tiertransporte stellen und natürlich ein Gewerbe als Tiertransporteur anmelden.
Während des Transportes sind von diesem Personenkreis dann folgende Unterlagen mitzuführen:
- Gewerbeanmeldung als Pferdetransporteur,
- Nachweis einer gültigen Güterschaden-Haftpflicht-Versicherung gemäß §7a Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG),
- für Fahrzeuge und Fahrzeuggespanne über 3,5 to eine gültige blaue EU- Lizenz gem. (EWG) VO 881/92,
- die Zulassung als Tier-Transportunternehmer gemäß Artikel 10 Abs.1 der EU-Richtlinie,
- bei Transportzeiten über 8 Std. die Zulassung gemäß Artikel 11 Abs.1, die wesentlich mehr Voraussetzungen hinsichtlich Fahrzeugpark und Personal verlangt,
- die Befähigungsnachweise der Fahrer und Begleiter,
- den Ladeschein und Fahrzeug-Desinfektionsnachweis zu jedem Transport,
- Transportplan und Notfallplan,
- bei grenzüberschreitendem Verkehr Gesundheitszeugnisse der Tiere,
- bei langen Transporten ein Fahrtenbuch oder ein aufzeichnendes Navigationssystem, sowie ein Belüftungssystem mit Warneinrichtung und Aufzeichnung.
Einzig für Turnier- und Rennpferde, in der EU Verordnung als „registrierte Equiden“ bezeichnet, gibt eine Erleichterung bei den Vorschriften. Dort kommen die rot markierten Bedingungen nicht zum tragen, eben sowenig wird ein Ladeschein benötigt.
Da einige von Ihnen ja auch ihr Pferd in die Niederlande verbringen zum ausbilden bzw. vorbereiten auf die Körung, oder die Stute zum besamen, habe ich auch nach den niederländischen Bestimmungen geforscht.
Die Verordnung wird dort ein wenig strenger ausgelegt was ‚Hobby‘ betrifft, aber der Transport von 2 Pferden zählt dort definitiv noch zu ‚Hobby‘. Einen betreffenden Brief von 2010 den die damalige Landwirtschaftsministerin Frau Gerda Verburg verfasste und dies bestätigt, werden wir, neben der aktuellsten Fassung des ‚Handbuches für Tiertransport‘ für Sie als PDF auf unserer HP hinterlegen. Leser die öfters mit ihren Pferden in den Niederlanden unterwegs sind sollten sich diesen Brief sicherheitshalber in ausgedruckter Form mit sich führen.
Eine weitere Frage an Frau Dr. Marschner war somit folgende:
Gibt es irgendwo eine Homepage / eine Liste in der evtl. strengere nationale Abweichungen zu dieser Verordnung der einzelnen Länder verzeichnet ist?
Antwort: Es gibt keine entsprechende Liste.
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass man sich vor einer Auslandsfahrt mit Pferd unbedingt nach örtlichen Besonderheiten diese Verordnung betreffend informiert. Denn auch hier gilt; Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.
Die letzte Frage dreht sich um den Tiertransport aus Gefälligkeit.
Wie ist der Transport von fremden Pferden (unentgeltlich z.B. Gefallen / Turniermitnahme u.ä.) für die betreffenden Personen Rechtssicher zu lösen?
Antwort: So lange der Transporteur daraus kein Geschäft macht, ist die Mitnahme „fremder“ Pferde z.B. zum Turnier keine wirtschaftliche Tätigkeit (selbst wenn z.B. ein Beitrag zu den Benzinkosten erfolgt).
Dies bedeutet, dass man als Privatperson auch weiterhin aus Gefälligkeit ein Pferd transportieren kann.
Problematisch wird es allerdings z.B. bei den allwöchentlich in Deutschland statt findenden Turnieren, wo Kinder mit Schulpferden oder -ponies teilnehmen und die Eltern ihre Sprösslinge samt Tier dorthin fahren. Denn die Tiere gehören ja in der Regel zu einer Reitanlage und somit liegt automatisch eine wirtschaftliche Tätigkeit vor.
Gleiches würde aber auch gelten, wenn man für einen Züchter seine Tiere auf eine Zuchtschau fahren würde wenn dieser mit seiner Zucht steuerlich beim Finanzamt geführt und veranlagt wird. Auch dies würde nicht mehr unter ‚Gefälligkeit‘ fallen.
Wie man sieht gibt es bei dieser Verordnung die eine oder andere ungenaue Formulierung, sehr viel Spielraum für die Auslegung der Verordnung aber eines leider nicht, Rechtssicherheit. Aus diesem Grund sollten sich deswegen alle Personen die regelmäßig Pferde transportieren ein wenig mit der Verordnung auseinandersetzen. Im Falle einer Kontrolle können Sie mit dem entsprechenden Wissen evtl. schon vor Ort den Vorwurf einer wirtschaftlichen Tätigkeit entkräften.
Sollten Sie uns die eine oder andere negative eigene Erfahrung mit dieser Verordnung schildern können würden wir uns freuen wenn Sie uns schreiben würden. Die Redaktionsanschrift finden Sie im Impressum.
Das Handbuch ‚Tiertransporte‘ sowie die ‚Hobbydieren en de transportverordening‘ haben wir als PDF zum Download bereit gestellt. Letztere sollten sich all jene die regelmäßig mit Pferden in den Niederlanden unterwegs sind ausdrucken und in das Handschuhfach legen.
Text / Fotos: Markus Neuroth